Wiener Walzer Geschichte
Tausende Tanzschüler lernen jedes Jahr den Wiener Walzer, hunderttausende tanzen ihn auf Bällen und Millionen lauschen ihm zum Neujahrskonzert. Doch die wenigsten wissen mehr über diesen jahrhunderte alten Tanz als dass einem davon schwindlig wird.
Let’s change that! Heute unternehmen wir eine kleine Zeitreise.
Der verbotene Tanz
Als die frühesten Vorfahren des Wiener Walzers kann man die deutschen Drehtänze, die teils schon im Mittelalter getanzt wurden, bezeichnen.
Tänze dieser Art waren allerdings lange Zeit verpönt und teilweise sogar verboten. So wurde beispielsweise 1525 in Belgern an der Elbe erlassen, dass Männer, die Frauen beim Tanzen drehen bis zu 20 Gulden Strafe zahlen. Das war damals der Gegenwert eines kleinen Hauses!
Frauen und Jungfrauen sollen sich züchtig am Tanz zeigen, und die Mannspersonen sich des Verdrehens und anderer Leichtfertigkeiten enthalten. Welcher Mann Frauen und Jungfrauen verdrehen oder aufwerfen wird, der soll gefänglich eingezogen werden und um 20 Gulden Strafe bestraft werden.
Ich hätte zu diesen Zeiten wahrscheinlich mehrmals lebenslänglich bekommen…
18. Jahrhundert
Aus diesen deutschen Drehtänzen entwickelte sich im 18. Jahrhundert in ländlichen Gebieten der Ländler und im städtischen Gebiet der Walzer. Während die walzertypischen Drehungen beim Ländler nur als Abschlussfigur getanzt wurden, entwickelte der Walzer sich damals zu einem durchgängig drehenden Tanz.
Bei der vornehmen Gesellschaft schockierte der Walzer zu dieser Zeit. Denn um nicht über’s Kleid zu stolpern hob die Dame ihr Kleid, wodurch der Knöchel sichtbar wurde. Zu dieser Zeit kam das einem Striptease gleich.
Dazu kam noch, dass das Tanzpaar relativ eng miteinander tanzen musste um sich umeinander drehen zu können. Die konservativen Herrschaften von damals haben dann wahrscheinlich gerufen „Nehmt’s euch ein Zimmer! Am besten gleich ’ne Gefängniszelle!“
Doch wie schon die verbotene Frucht aus dem Garten Eden hatte auch dieser verbotene Tanz eine ganz besonders unwiderstehliche Wirkung auf die Menschen und so trat der Walzer ab der Mitte des 18. Jahrhunderts seinen Siegeszug in Wien, der damaligen Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs, an.
Die erste schriftliche Erwähnung des Begriffs „Walzer“ findet sich in der Wiener Komödie „Bernardon auf der Gelseninsel“ von
Johann Joseph Felix von Kurz aus dem Jahr 1754. Der Begriff Walzer beschreibt hierbei das Schleifen der Füße auf dem Boden beim drehenden Walzertanzen.
Die Anfänge der Wiener Ballkultur
1773 verordnete Kaiser Joseph II., dass die Wiener Hofburg für alle Gesellschaftsschichten geöffnet werden sollte. 1782 ging er einen Schritt weiter und erließ eine Ballordnung, nach der sich alle Ballbesucher so zu verhalten hatten, dass nicht mehr offensichtlich war, zu welcher Gesellschaftsschicht sie gehörten.
Dies war der Beginn der Wiener Ballkultur, wie wir sie heute kennen, in der jeder jeden zum Tanz auffordern kann, zwar gehobenere Etikette herrscht, herablassende Haltungen allerdings vor der Tür gelassen werden sollten. Der Walzer war auf diesen durchmischten Bällen von Anfang an dabei.
1786 fand der Walzer das erste mal seinen Weg auf die große Bühne in der Oper Una Cosa Rara von Vicente Martín y Soler. 14 Jahre später hielt der Walzer mit Pierre Gardels La Dansomanie auch Eintritt in die Welt des Balletts.
Zu dieser Zeit wurde der Walzer mit 100 Takten/Minute und somit 50 Umdrehungen/Minute noch knapp doppelt so schnell getanzt wie heutzutage (30 Umdrehungen/Minute). Da war es wenig verwunderlich, dass der Walzer als gesundheitsgefährdend eingestuft wurde. Bei teilweise halbstündigen Walzer-Marathons kam es immer wieder zu Zusammenstößen und Verletzungen.
Trotz aller Begeisterung für diesen Tanz in Wien wäre der Walzer jedoch nicht das, was er heute ist, wenn ein Großereignis der Geschichte nicht in Wien stattgefunden hätte: Der Wiener Kongress.
Der Wiener Kongress
Nachdem die napoleonischen Kriege zwischen 1800 und 1814 Europas machtpolitische Verhältnisse gehörig durcheinander gewürfelt hatten, trafen sich Herrscher und Berater aus gut 200 europäischen Ländern, König- und Kaiserreichen um die Landkarte Europas nach Napoleons Niederlage neu zu ordnen. Getagt wurde ab September 1814 in Wien.
In den nächsten 9 Monaten wurden politische Strukturen geschaffen, die teilweise bis ins nächste Jahrhundert Bestand haben sollten. Das österreichische Kaiserhaus sollte jedoch nicht für die umfassenden politischen Entscheidungen bekannt werden, die in ihrer Hauptstadt getroffen wurden sondern für das kostspielige Rahmenprogramm dieses Kongresses.
Für die Herrscher Europas wurde ein Veranstaltungsprogramm erstellt, das in der gesamten Geschichte seinesgleichen sucht. 9 Monate lang folgte eine schillernde Ballnacht der anderen. Wenn nicht getanzt wurde, fanden Konzerte, unter anderem auch von Ludwig van Beethoven, und Theateraufführungen statt.
Da war es wenig verwunderlich, dass der Wiener Kongress den Spitznamen Tanzender Kongress bekam.
Der Kongress tanzt, aber er kommt nicht vorwärts. – Charles Joseph de Ligne
Besonders der Walzer der Wiener wurde mit Begeisterung von den internationalen Gästen getanzt. Im Vergleich zu anderen Tänzen der Zeit, die häufig aus langen Choreographien bestanden, die man vor einer Ballnacht erst umständlich einstudieren musste, war der Walzer schnell gelernt und machte einfach Spaß. Dass er etwas leicht verruchtes an sich hatte, dürfte die Ballgäste dabei nicht gestört haben – im Gegenteil.
Der Walzer wurde somit 1814 gesellschaftsfähig. Die beim Kongress bekannt-gewordene Form des Walzers erhielt zu dieser Zeit als Beinamen die Stadt, in der er so viel getanzt wurde: Wiener Walzer. Deshalb gilt 1814 als Geburtsjahr des Wiener Walzers.
Strauß und Tchaikovsky
Weitere Bekanntheit erlangte der Walzer durch den Komponisten und Musiker Johann Strauß, der mit seiner Kapelle von 1834-1838 durch Deutschland, Frankreich und England reiste und so den Wiener Walzer in weiten Teilen Europas verbreitete.
Ende des 19. Jahrhunderts begeisterten die Balletts des Komponisten Pyotr Ilyich Tchaikovsky die Tanzwelt. Die Walzer in den Stücken Schwanensee (Uraufführung 1877) und Nussknacker (Uraufführung 1892) erlangten Weltruhm.
Ein etablierter Klassiker
Um 1900 wurden dann die ersten Tanzturniere ausgetragen, wobei Wiener Walzer eine der Turnierkategorien war.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Wiener Walzer durch neumodischere amerikanische Tänze verdrängt, selbst in Wien. In den 1930er Jahre wurde er dann jedoch vom ehemaligen k. u. k.-Offizier Karl von Mirkowitsch wieder salonfähig gemacht.
1963 wurde der Wiener Walzer als einer von 11 Tänzen in das offizielle Welttanzprogramm aufgenommen. Auch sonst ist der Walzer aus der heutigen Tanzwelt nicht mehr wegzudenken. Auf Hochzeiten wird meist zumindest ein Wiener Walzer getanzt und jeder gute Ball wird mit den Worten „Alles Walzer“ eröffnet.
Was für Erinnerungen kommen bei dir hoch, wenn du an den Wiener Walzer denkst? Schreib’s in die Kommentare!
Daniel Azomji
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