Das Welttanzprogramm Teil 2 – Das neue deutsche WTP
Diese Nachricht geht an alle Tänzer da draußen.
Sie geht an Tanzbegeisterte wie dich, die nicht still stehen können, wenn sie Musik hören.
Es gibt ein neues Welttanzprogramm.
Ich weiß, ich weiß. Jetzt haben wir endlich durchschaut wie es funktioniert, jetzt kommt schon wieder was neues dazu. Im Welttanzprogramm, Teil 1 hast du gelesen, wie es entstanden ist, wie es aufgebaut war und hast verfolgt wie es sich von den 60er Jahren bis 2005 weiter entwickelt hat. Aber seit den 60er Jahren hat sich die Tanzwelt verändert.
Von einer Welt in der es keinen Street Dance gab, zu einer Welt in der allein Hip Hop aus so vielen Subgenres besteht, dass es schwer ist den Überblick zu behalten. Irgendwo auf diesem Weg ging die Logik eines Systems verloren.
Für den Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) gab es nur eine Lösung: Ein völlig neues System musste her. Eines, das komplett anders aufgebaut ist und neuen Regeln folgt.
Ich präsentiere hiermit das Welttanzprogramm 2.0 – erhältlich in Deutschland und ausgewählten österreichischen Tanzschulen.
Du wirst sehen was sich verändert hat, was gleich geblieben ist und welche Vor- und Nachteile sich daraus ergeben.
2013 – Das Rad wird neu erfunden
2013 nahm der ADTV entscheidende Änderungen am Welttanzprogramm vor, es wurde auf den Kopf gestellt und völlig neu strukturiert.
Der Deutsche Tanzlehrerverband entschied, die Tänze nicht mehr nach Tanztechnik sondern nach Musik zu unterteilen.
Bisher gab es die zwei Hauptkategorien Lateinamerikanische Tänze und Standardtänze und eine zusätzliche Gruppe der Modetänze oder nicht klassifizierten Tänze, in die nach und nach alle anderen Tänze und Tanzstile reingeschlichtet wurden.
Jetzt gibt es 5 unterschiedliche Musikrichtungen, denen die unterschiedlichen Tänze zugeordnet werden können.
- Walzer Musik
- Tango Musik
- Latino Musik
- Swing Musik
- Disco-Musik
Alles dreht sich um die Musik
Die Umstrukturierung stößt auf viel Unverständnis, hauptsächlich wahrscheinlich weil sie sehr ungewohnt ist, aber die Idee dahinter macht durchaus Sinn.
Tanzen ist Musik, die ihren Ausdruck in Bewegung findet. Entweder durch einen, zwei, oder eine ganze Gruppe an Tänzern. Im WTP wurde diese gemeinsame Übersetzung in ihren Grundzügen geregelt (es wurden Grundschritte und Figuren für jeden Tanz festgelegt) aber die Musik steht nach wie vor im Vordergrund.
Einige der Unterrichtsziele legen ganz bewusst Wert darauf, dass Tanzschüler ein Gefühl für die Musik entwickeln und lernen, den zur Musik passenden Tanz zu wählen. Daher ist es eine logische Konsequenz, dass man der Musik auch im Welttanzprogramm mehr Stellenwert einräumt.
Konflikte ersetzen Konflikte
Es ist hier nicht zu vergessen, dass die Ordnung vorher nicht perfekt war. Tänze die zwar technische Gemeinsamkeiten haben, sich aber ansonsten möglicherweise völlig voneinander unterscheiden, fand man in derselben Kategorie. Und die Modetänze hatten im Endeffekt weder technische noch stilistische Gemeinsamkeiten.
Die neue Struktur löst hingegen das Tango-Problem, das ich bereits angesprochen habe.
Im ersten Artikel dieser Reihe habe ich dir erklärt wie sich Tango als Schreittanz von den vier Schwungtänzen der Standardtanzkategorie in Herkunft, Technik und vor allem Charakteristik deutlich abhebt. Diese Unterschiede ergeben sich in erster Linie dadurch, dass die Musik so verschieden ist. Wie bereits erwähnt orientieren sich die Bewegungen jedes Tanzes an seiner Musik.
Tango Musik ist impulsiv, mit stark betonten rhythmischen Wechseln, genauso der Tanz. Walzer Musik hat einen 3/4-Takt und ist damit rhythmisch ganz anders. Gleichzeitig ist die schwungvolle Leichtigkeit der Musik stilistisch näher an der Musik zu der Quickstepp getanzt wird. Da Tango und Walzer jetzt jeweils ihr eigene Kategorie haben, wird dieses Problem aufgelöst.
Allerdings ergeben sich durch dieses neue System auch wieder neue Konflikte, auf die ich im nächsten Punkt eingehe.
Welcher Tanz zu welcher Musik?
Selbst wenn man den Wechsel auf eine musikalische statt einer technischen Einteilung nachvollziehen kann, schüttelt man trotzdem den Kopf, wenn man sich anschaut welche Tänze sie den einzelnen Kategorien zugeordnet haben:
- Walzer Musik
- Langsamer Walzer
- Wiener Walzer
- Tango Musik
- Tango
- Tango Argentino
- Latino Musik
- Rumba
- Cha Cha Cha
- Salsa
- Samba
- Merengue
- Swing Musik
- Blues (deutsche Karree-Rumba)
- Foxtrott
- Boogie Woogie/Jive Single Time
- Disco Musik
- Disco-Samba
- Discofox
Walzer und Tango
Walzer Musik und Tango Musik sind wie gesagt schön und simpel aufgelöst, da kann man auch wenig falsch machen. Vor allem sind Tango und Tango Argentino endlich in einer Gruppe. Da Tango eine an Europäer angepasste Version von Tango Argentino ist, hat die beiden zu trennen wirklich wenig Sinn gemacht.
Latino Musik
Latino Musik ist eine etwas weniger klare, aber trotzdem sinnvolle Kategorie. Die Tänze sind auch passend eingeordnet, da sie alle lateinamerikanische Tänze sind. Aber ich frag mich da: Wo sind Bachata, Mambo und Co. hin verschwunden? Die tanzt man genauso zu lateinamerikanischer Tanzmusik, und 2005 waren sie bereits im Welttanzprogramm. Kein Grund sie zu streichen.
Disco und Swing
Bei Disco und Swing steige ich ehrlich gesagt aus. Es gibt so viele Tänze die man zu Swing-Musik tanzen kann (Boogie, Jive, Charleston, Discofox, Lindyhop, Rock ’n’ Roll,…) die jetzt gar nicht mehr vorkommen. Wo sind sie hin verschwunden?
Abgesehen davon tanzt man Discofox ebenfalls zu Swing-Musik und es ist zweifelhaft ob man Foxtrott (Quickstepp), der ebenfalls zu dieser Musikrichtung getanzt wird, mit Tänzen wie Boogie in einen Topf hauen will, da sie sich stilistisch aber vor Allem technisch extrem unterscheiden.
Quickstepp wird in geschlossener Tanzhaltung getanzt, man dreht sich um eine gemeinsame Achse und hat durchgehend Körperkontakt. Wohingegen man Jive und seine Verwandten in offener Tanzhaltung und mit wesentlich legererer Kleidung tanzt und sich Ober- und Unterkörper, wie auch die Tanzpartner unabhängig von einander bewegen.
Es bleibt auch die Frage, wie definiert man Disco-Musik? Musik die in Discos gespielt wird? Das kann sich von Disco zu Disco durchaus unterscheiden. Oder ist damit einfach moderne Musik gemeint?
Egal, wie man es definiert, sowohl zu moderner Musik wie auch zu Musik, die in Discos gespielt wird, kann man oft genug Swing oder Lateinamerikanische Tänze tanzen.
Das Welttanzprogramm in Theorie und Praxis
Das neue deutsche Welttanzprogramm ist ganz bestimmt nicht perfekt. Genau wie sein großer Bruder vom World Dance Counsil ist es nur ein Modell um etwas Ordnung in eine sehr komplexe, vielschichtige Tanzwelt zu bringen. Und wie bei jedem Modell ergeben sich Schwierigkeiten wenn es mit der Realität in Berührung kommt.
In theory, there’s no difference between theory and practis. But, in practis, there is.
Bis jetzt habe ich dir zwei Systeme vorgestellt um die Tanzwelt zu strukturieren. Im 3. Teil der Artikelreihe werde ich dir die Unterrichtsziele erklären.
Wie findest du die neue Einteilung in Musikrichtungen? Kennst du dich jetzt besser aus?
Unsere Kommentarbox wartet auf dich.
Hanna Ørum Madsen
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